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75 Jahre WVIB

Menschen zusammenbringen

Anita Fertl
  • Mo, 03. Mai 2021, 17:35 Uhr

     

Anzeige BZ-Interview mit Thomas Burger, Präsident des WVIB, und Hauptgeschäftsführer Christoph Münzer

Thomas Burger und Christoph Münzer (v.l.) Foto: WVIB
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Der Wirtschaftsverband Industrieller Unternehmen Baden (WVIB) feiert Jubiläum. Was war der Anlass der Verbandsgründung vor 75 Jahren? "Wir sind von Geburt an ein Netzwerk", sagen WVIB-Präsident Thomas Burger und Hauptgeschäftsführer Christoph Münzer und machen sich im BZ-Gespräch Gedanken über Vergangenheit, Heute und Zukunft des Verbands.

BZ: Heute zeigt sich die Schwarzwald AG als Institution, die mehr als 1000 Mitgliedsunternehmen in Baden-Württemberg und 380 000 Beschäftigte weltweit zusammenfasst. Ihre Grundsteinlegung erfolgte 1946. Wie kam es dazu?

Burger: Der WVIB wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als Materialtauschbörse gegründet – da begann schon das Networking, das wir auch heute großschreiben: Mittelständische Industrieunternehmen tun sich zusammen, um das, was der eine besser kann als der andere, im Rahmen eines Erfahrungsaustauschs in gemeinsamer Stärke zu präsentieren.

Münzer: Am 9. Mai 1946 lag alles noch in Trümmern, Kirschwasser war die Schwarzwaldwährung, die D-Mark gab es ja noch nicht. Alles war knapp. Da haben die französischen Besatzer in Richtung Wirtschaft gesagt: Helft euch selbst und richtet eine Tauschbörse ein! Aus dieser Rohstofftauschbörse wurde eine Erfahrungsaustauschbörse. Rund 70 Unternehmer haben ihren eigenen Verband gegründet und sich mit Magda Scheffelt Ende der 40er-Jahre eine starke Dame an die Seite geholt. Sie wurde von 1957 bis 1985 unsere Hauptgeschäftsführerin. Sie war eine der ersten promovierten Volkswirtinnen an der Freiburger Uni und war Referentin im Badischen Wirtschaftsministerium. Zusammen mit den Unternehmern hat sie unser WVIB-Netzwerk gestartet. Das war damals eine Sensation, es ist bis heute einmalig in Deutschland.

BZ: Heute erleben wir politisch unsichere Zeiten und Krisen wie die Pandemie. Wie schafft es der WVIB, seine Mitglieder ohne Zwangsmitgliedschaft über Jahrzehnte bei der Stange zu halten?

Burger: Ein privates Netzwerk von Unternehmern muss einer anspruchsvollen Klientel zugegebenermaßen einiges bieten, sonst wächst es nicht 75 Jahre lang in alle Richtungen weiter. Unser offenes Geheimnis: Wir schöpfen aus der Quelle des Erfahrungsaustauschs, zumeist vor Ort im Unternehmen. Die rund 60 hauptamtlichen Verbandsnetzwerker organisieren diesen tiefen und breiten Erfahrungsaustausch für Chefs und Führungskräfte bis hin zu unserer WVIB-Akademie mit ihrer auf die Industrie ausgerichteten Aus- und Weiterbildung. Wir haben Cluster, mit denen wir Branchenthemen wie Automotive, Maschinenbau oder Familienunternehmen vernetzen. Und wir vernetzen auch unsere sogenannten "Szenen" – über 50 Berufsprofile von Außenwirtschaft, Personal, Marketing, Einkauf bis Zoll.

BZ: Was macht den WVIB aus, was ist sein Antriebsmittel?

Münzer: Wir bringen die richtigen Unternehmer zusammen und stellen uns gegenseitig die richtigen Fragen. Wir kommen eben nicht mit allein seligmachenden Rezepten "von oben" und erklären sie im Helfermodus den Unternehmern. Das geht bei 1055 Unternehmen und einer gewaltigen Themenbreite gar nicht. Das will bei uns auch niemand. Wir finden Best-Practice-Beispiele und die multiplizieren wir in den eigenen Reihen. Dazu gibt es vor allem die Chef-Erfahrungsaustauschgruppen, die "Erfas". Sie sind über 50 Jahre alt, umfassen mehr als 50 Gruppen mit über 750 Unternehmerinnen und Unternehmern. Das gleiche gilt auch für die Fach- und Führungsebene mit über 3000 Fach- und Führungskräften. Dort ist jede Menge unternehmerische Energie, die wir in Gruppen reagieren lassen, rund 1000-mal pro Jahr.

BZ: Wie zum Beispiel?

Münzer: Nehmen wir Corona. Im Mittelpunkt steht auch hier der Erfahrungsaustausch. Bis die Dienstanweisung zur Corona-Hygiene in Berlin abgestimmt wurde und über die Länder träufelte, war bei uns vor Ort der Drops schon längst gelutscht. Wir hatten sofort und bis heute einen Chat für Corona-Fragen, beraten uns bis in die letzten Details sozusagen selbst. Wir sind ein unternehmerischer Verband zur Beratung auf Gegenseitigkeit, setzen auf Wissen und Wärme, Professionalität und Empathie.

Burger: Und deshalb sehen wir uns auch als politisches Sprachrohr des industriellen Mittelstands in Baden-Württemberg. Wenn wir aus unseren täglichen Erfahrungen mit Unternehmern deren Interessen bündeln, formulieren und politisch vermitteln, dann haben wir als einer der großen Verbände eine andere Wahrnehmung der Außendarstellung als ein Mittelständler mit 200 Mitarbeitern. Aber wir sprechen dennoch dessen Sprache und sind näher dran an Menschen und Problemen als der eine oder andere Verband in Stuttgart oder Berlin. Das und unsere schnellen Reaktionszeiten schätzt die Politik.

BZ: Wichtige Themen haben Sie mit den Stuttgarter Thesen angesprochen, Ihre Vorstellung einer öko-sozialen Marktwirtschaft formuliert. Wie wollen Sie sich darüber hinaus zukünftig aufstellen, was die Unternehmens- und Produktionsstruktur Ihrer Mitglieder angeht?

Burger: Das, was wir in der Vergangenheit getan haben, und wie wir es getan haben, macht uns auch in Zukunft weiterhin erfolgreich. Natürlich gibt es immer wieder neue Herausforderungen. So hat sich in den Mitgliedsunternehmen die Struktur über die 75 Jahre stark verändert. Wir haben deutlich mehr angestellte Geschäftsführer in den Mitgliedsunternehmen. Wir müssen junge Unternehmerinnen und Unternehmer anders begeistern und begleiten, damit unsere Familienunternehmen weiterhin eine Zukunft haben.

Auch politisch muss mehr geschehen. Man muss warnen: Früher gab es nur Familienunternehmen, die auch familiengeführt waren. Die bleiben oft auch Unternehmen in Familienbesitz, aber vielleicht gibt es heute auch zwei Fremdgeschäftsführer und keinen Gesellschafter in der Führung mehr.

Münzer: Dadurch gibt es sofort mehr Ansprechpartner und eine andere Kommunikation auf vielen Kanälen. Die personelle Fluktuation ist zudem durch die Zunahme von Übernahmen und Fusionen gestiegen. Diesen spannenden Wandel im Mittelstand begleiten wir als Sparringspartner auf allen Ebenen – von Unternehmensnachfolge und Management-Buy-in bis Beiratsvermittlung. Auch intern haben wir uns parallel mit der Industrie entwickelt. Beispielsweise sind wir seit vielen Jahren ISO 9000 zertifiziert und führen intern nach Prozessen und QM-Gesichtspunkten.

Burger: Und wenn wir in diesem Jahr unser 75. Jubiläum feiern, dann, weil wir der jüngste Verband geblieben sind, den es geben kann. Wandel hält jung. Uns beiden – und vielen anderen im WVIB – ist es jedenfalls nie langweilig.
Weitere Informationen zum WVIB finden Sie hier.

Dossier: 75 Jahre WVIB

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