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Ortenaukreis: Jahresrückblick des Landrats

2020 brachte einen doppelten Stresstest fürs Ortenau-Klinikum

  • Mo, 04. Januar 2021, 15:35 Uhr
    Ortenaukreis

     

Corona trifft auf Klinikreform Agenda 2030. Das waren die gewaltigen Herausforderungen für den Ortenaukreis 2020.

Eines von 85 Intensivbetten im Ortenauklinikum. Ihre Kapazität wurde 2020 für Patienten mit schweren Covid-19-Verläufen ausgebaut. Gleichzeitig wird für 2030 die Reform der Kliniklandschaft vorbereitet. Foto: ddn
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Die Pressestelle der Stadtverwaltung von Kehl bringt zum Jahresende immer ein ganzes Buch heraus mit allem, was aus ihrer Sicht Bemerkenswertes im abgelaufenen Jahr in Kehl passiert ist. Für ein Buch hat es nicht gereicht, obwohl die Entscheidungen und Weichenstellung des Kreistags nun deutlich schwergewichtiger und weitreichender waren. Die Leistungsbilanz des Ortenaukreises für 2020, die Landrat Frank Scherer vorlegt, ist dennoch imponierend, weil 2020 – nicht nur wegen Corona – weit entfernt war von einem Routinejahr.

"2020 war ein Jahr, das uns alle besonders gefordert hat", so Scherer. "Als ich am 8. Januar 2020 unter dem Motto ,Bildung for Future’ zum Neujahrsempfang im Landratsamt begrüßen durfte, ahnte niemand, wie schnell die Digitalisierung in der Bildung zu einer bedingungslosen Notwendigkeit werden würde." Von einem Tag auf den anderen hätten sich die zahlreichen Schulen in der Trägerschaft des Kreises vor die Herausforderung gestellt gesehen, digitalen Unterricht zu ermöglichen. Auch in anderen Bereichen habe die Corona-Pandemie größten Einsatz gefordert. "Allen voran möchte ich hier die Kolleginnen und Kollegen im Ortenau-Klinikum und im Gesundheitsamt nennen, ohne deren außerordentlichen Einsatz wir die Pandemie nicht so gut meistern könnten", so Frank Scherer. Das Ortenau-Klinikum befindet sich in der Trägerschaft des Kreises, das Gesundheitsamt ist Teil der Kreisverwaltung. Beide standen und stehen seit der Corona-Krise unter Hochspannung."Darüber hinaus gibt es praktisch keinen Bereich im Landratsamt, der von der Krise nicht betroffen war", so Landrat Scherer.

Trotz Corona-Krise habe der Kreistag als das entscheidende politische Gremium mit den gewählten Kreisrätinnen und Kreisräten seine Aufgaben erfüllt. 26 Sitzungen der Kreisgremien haben stattgefunden, "prall gefüllt mit wichtigen Inhalten und Entscheidungen", so der Landrat. "Dieses Jahr standen vor allem drei Politikfelder im Mittelpunkt, erklärt Scherer. "Wir haben die Finanzierung der Agenda 2030 und viele andere wegweisende Entscheidungen im Klinikbereich auf den Weg gebracht, beim Breitbandausbau haben wir durch die Neuausschreibung und Neuaufstellung einen Quantensprung gemacht und mit dem Ausbau des Nahverkehrs und der großen Tarifreform haben wir einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur Verkehrswende im Ortenaukreis gesetzt."

Die Klinikreform Agenda 2030 ist auf dem Weg

Wie bereits in den Vorjahren ist besonders viel Energie und Arbeit in die Zukunftsplanung für das Ortenau Klinikum geflossen. Der Kreistag hat am 3. November 2020 nach Einschätzung des Landrats eine "seriöse und generationengerechte" Finanzierung der Klinikreform namens Agenda 2030 beschlossen. Der Beschluss des Finanzierungsmodells für das größte Investitionsvorhaben in der Geschichte des Ortenaukreises sei laut Scherer ein großer Schritt auf dem Weg zu einer hochwertigen und zukunftsfähigen Gesundheitsversorgung im Kreis.

Daneben sei mit der Unterzeichnung eines städtebaulichen Vertrags die Nachnutzung für Gengenbach festgezurrt worden, das 2018 seinen Status als Akutklinik verlor und aus den neun Standorten des Ortenau-Klinikums als erstes ausgeschieden ist. In Gengenbach werde ersatzweise ein Pflegeheim mit festen Kurzzeitpflegeplätzen, eine Rettungswache, ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) mit bis zu vier Praxen sowie die Geschäftsführung der MVZ Ortenau gGmbH untergebracht. Außerdem wird werde das Gesundheitsamt des Kreises auf das Areal in Gengenbach umziehen.

Auch für den Standort Oberkirch hat der Kreistag in seiner Dezember-Sitzung ein Nachnutzungskonzept beschlossen. Dort werden künftig nach der Schließung des Klinikums folgende Leistungen angeboten werden: ambulantes Gesundheitszentrum mit Notfallpraxis, Hebammenstützpunkt, Pflegeheim mit Kurzzeit- und Genesungsbetten und ambulantes Operieren. Der Hebammenstützpunkt sowie die Genesungsbetten resultieren aus den regionalen Strukturgesprächen zur gesundheitlichen Versorgung im Ortenaukreis unter der Leitung der Kommunalen Gesundheitskonferenz (KGK).

In der südlichen Ortenau soll mit dem Projekt Patientenlotse (Case-Manager) ein Konzept für ältere und multimorbide chronisch erkrankte Patienten entwickelt werden. Mit der Förderzusage des Landes Ende November ist der Startschuss gefallen. Ein Patientenlotse wird chronisch Kranken und mehrfach erkrankten Personen helfen, für ihre medizinische Versorgung zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Ansprechpartner und die Behandlungsmöglichkeiten zu finden.

Mehr Breitband fürs Land

Die lange Suche nach einer Lösung für schnelles Internet auch im ländlichen Raum, der Breitbandausbau, hat 2020 endlich Fahrt aufgenommen. In diesem Jahr wurden 14 Landes-Förderanträge mit einer Gesamtfördersumme von 1,174 Millionen Euro und 27 Bundesförderprojekte mit der Gesamtfördersumme von 31,387 Millionen Euro genehmigt. "Mit dem breit und stark aufgestellten Netzbetreiber Vodafone Deutschland können wir nun von Bund und Land in vielen Bereichen bis zu 90 Prozent Förderung generieren und damit das von mir vor drei Jahren ausgegebene Ziel erreichen: Bis 2025 werden nach und nach alle weißen Flecken im Kreis mit Breitband versorgt werden", so Landrat Scherer.

Das 30-Euro-Schülerticket kommt

Mit der Tarifreform im Nahverkehr ist der Kreis einen Schritt weiter in Richtung umweltgerechte Verkehrswende und damit auch zu mehr Klimaschutz gekommen. Herzstück der Reform ist die Einführung eines Schülermonatstickets im Abonnement für 30 Euro, das Gültigkeit für das gesamte Netz der TGO haben wird. "Schüler fahren damit für nur einen Euro pro Tag im gesamten TGO-Gebiet", zeigt sich Landrat Scherer erfreut. Gleichzeitig könne auch der Verwaltungsaufwand für Kommunen, Schulsekretariate und Verkehrsunternehmen entfallen, da die bisherige Abrechnungssystematik nicht mehr erforderlich sei. "Um Autofahrer zum Umstieg auf die öffentlichen Verkehrsmittel zu bewegen", so Scherer, "verbessern wir außerdem laufend das Angebot." Daneben ist die Entwicklung einer Mobilitäts-App beschlossen, die vom Online-Ticket bis zur Mitfahrgelegenheit alles können soll. Buslinien seien neu eingeführt oder optimiert worden. Außerdem werde die Anbindung des Nationalparks Schwarzwald verbessert: Zum 1. Mai 2021 ist die Betriebsaufnahme des Regiobusses Achern –Ruhestein und der Zubringerbusse Bad Peterstal – Dollenberg – Kniebis, Oppenau – Allerheiligen – Ruhestein und Hausach - Wolfach – Kniebis geplant.

1,3 Milliarden im Doppelhaushalt

Das Dezernat 1 unter der Leitung von Jutta Gnädig war intensiv mit der Aufstellung des Doppelhaushalts des Ortenaukreises für 2021/2022 mit einem Volumen von 1,3 Milliarden Euro befasst. Der Haushalt wurde am 15. Dezember mit großer Mehrheit verabschiedet. Er stellt Mittel für die Klinikreform Agenda 2030 bereit als größte Investition in der Geschichte des Ortenaukreises und soll andererseits die größten finanziellen Einbußen der Kreisgeschichte durch die Corona-Pandemie abfedern. "Mit der Entscheidung des Kreistags können wir weiter (...) nachhaltig investieren, unsere Städte und Gemeinden leistungsfähig halten und unterstützen sowie als Kreisverwaltung effizient agieren", so Scherer. Das sei so nur möglich, weil in der Vergangenheit sehr wirtschaftlich, nachhaltig und strategisch agiert wurde, das Landratsamt bei den Verwaltungskosten in allen landesweiten Benchmarks Spitze sei und in den vergangen zwölf Jahren eine Entschuldung des Kreises um über 40 Millionen Euro vorangetrieben habe. "Deshalb können wir im nächsten Doppelhaushalt die diesjährige Corona-Delle von 38 Millionen Euro ohne Kredite ausgleichen und die Agenda 2030 finanzieren", erklärt Scherer.

In Bildung investieren und sanieren

Der Kreis investiert weiter in Bildung. Mit dem Spatenstich im Juli begannen die Bauarbeiten für den Ersatzneubau für die Außenstelle der Gewerblichen Schule in Lahr. In der Tramplerstraße entsteht ein flexibler Neubau für die Fachbereiche Körperpflege, Elektrotechnik und Grafik-Design, der nach Fertigstellung zusammen mit den anderen Gebäuden einen Schulcampus bildet. Der Kreis investiert hier rund zwölf Millionen Euro. Ein weiteres großes Projekt ist der Bauabschnitt III der Gewerblich-Technischen Schulen in Offenburg. Nach dem Spatenstich und der Grundsteinlegung Ende 2019 steht der Rohbau kurz vor Fertigstellung. Die Gesamtkosten dieses Bauprojektes werden 26 Millionen Euro betragen.

Daneben investiert der Ortenaukreis auch weiterhin kräftig in die Sanierung und Modernisierung seiner Schulgebäude. Nach dem Kauf des Schulgebäudes der Badischen Malerfachschule von der Stadt Lahr werden seit Sommer für insgesamt rund 3,5 Millionen Euro die Sanierungsarbeiten umgesetzt. An den Haus- und Landwirtschaftlichen Schulen Offenburg wird der Brandschutz für rund 2,4 Millionen Euro ertüchtigt. Parallel dazu werden die naturwissenschaftlichen Räume im Erdgeschoss für 1,3 Millionen Euro bis Frühjahr 2021 modernisiert.

Innovative Abfallwirtschaft

Im Bereich der Abfallwirtschaft hat der Zweckverband Abfallbehandlung Kahlenberg (ZAK) die Genehmigungsplanung für seine neue Rohstoffrückgewinnungsanlage vorangetrieben. Diese Anlage wird aus den durch die Abfallbehandlung anfallenden Ersatzbrennstoffen wichtige Rohstoffe wie beispielsweise Phosphor zurückgewinnen. 2021 soll plangemäß mit dem Bau der Anlage begonnen werden kann. "Auf dem Kahlenberg wird eine neue Technologie auf höchstem ökologischem Niveau gebaut, die ein Aushängeschild für die gesamte Abfallwirtschaft werden wird", so Scherer. Ein weiteres Plus der Anlage ist, dass bei Realisierung des Projekts keine Biotonne im Landkreis Emmendingen und dem Ortenaukreis benötigt wird. "Die Gründe dafür, dass wir im nächsten Jahr erstmals nach zwölf Jahren die Abfallgebühren anheben müssen, liegen außerhalb unseres Einflussbereichs: Die Kosten vor allem für die Altpapiersammlung sind deutlich gestiegen und gleichzeitig bekommen wir weniger für die Wertstoffe. Trotzdem bleiben wir dank unserer mechanisch-biologischen Abfallbehandlung auf dem Kahlenberg an der Spitze der günstigsten Hausmüllgebühren im Land", erklärt der Landrat.

Ressort: Ortenaukreis

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 05. Januar 2021: PDF-Version herunterladen

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