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Alaska

Ein Deutscher ist Rennrichter beim härtesten Schlittenrennen der Welt

  • Barbara Munker (dpa)

  • Fr, 04. März 2022, 21:47 Uhr
    Panorama

     

1800 Kilometer durch Alaska: Das Iditarod gilt als härtestes Schlittenhunderennen der Welt. 49 Musher nehmen daran teil. Mit dabei ist der Deutsche Sebastian Schnülle – als Rennrichter.

Die amerikanische Hundemusherin Aliy Zirkle bei einem Rennen (2012) – dieses Jahr sind 17 Frauen am Start. Foto: Sebastian Schnülle (dpa)
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Schneestürme, extreme Minustemperaturen und eine einsame Strecke durch die Wildnis von Alaska – über 1800 Kilometer lang: Zu Recht hat das Iditarod den Ruf als das härteste Schlittenhunderennen der Welt. An diesem Wochenende gehen 49 Musher, darunter 17 Frauen, mit ihren Hundegespannen an den Start. Mit dabei ist der Deutsche Sebastian Schnülle.

"Es ist eines der letzten großen Abenteuer", sagt Schnülle. Der gebürtige Wuppertaler, in Ostfriesland aufgewachsen, kennt es aus eigener Erfahrung. Seit 2005 war er sieben Mal dabei. 2009 schaffte er die Strecke von Anchorage bis Nome in zehn Tagen und fünf Stunden – und ging damit als Zweiter durchs Ziel. Die meisten Teilnehmer sind gebürtige Alaskaner, nur eine Handvoll Ausländer – in diesem Jahr aus Norwegen, Schweden, Dänemark und Frankreich – trauen sich das harte Abenteuer zu.

Was ist das Schwierigste daran? "Mit Abstand der Schlafentzug", sagt Schnülle ohne eine Sekunde zu zögern. Denn nach rund sechs Stunden Fahrt dürfen die Hunde pausieren, doch für den sogenannten Musher, den Menschen, der den Hundeschlitten lenkt, geht die Arbeit weiter. "Man ist Koch, Masseur und muss sich um alles kümmern", erzählt der 51-jährige Wahl-Kanadier. Das Futter für die Hunde wird zubereitet, deren Gelenke und Pfoten massiert, die Schuhe der Tiere müssen gewechselt werden. Für die Schlittenlenker bleibt kaum Zeit zum Schlafen. Dann geht es schon zum nächsten Checkpoint weiter.



Als Musher ist Schnülle nun im Ruhestand, doch als Rennrichter ist der 51-Jährige bei dem Wettbewerb weiter dabei. Wegen Corona war das Rennen 2021 verkürzt worden, einige Ortschaften wurden umfahren. Doch in diesem Jahr – dem 50. Jubiläum – geht es wieder auf die traditionelle Strecke bis nach Nome an der Beringsee, ein Ort, der nur per Schiff oder Flugzeug, aber nicht mit dem Auto zu erreichen ist.

Das Iditarod-Rennen verdankt seinen Namen einem alten Pfad, der seit Ende des 19. Jahrhunderts entlegene Goldgräber- und Hafenorte im hohen Norden verband – durch menschenleere Tundren, dichte Wälder und über vereiste Flüsse hinweg. Berühmt wurde die Strecke 1925, als eine Diphtherieepidemie vor allem die Kinder der Ureinwohner in Nome bedrohte. Musher transportierten damals rettendes Serum in den entlegenen Ort.

1973 ging es um eine andere Rettungsaktion. "Damals wurden die Schlittenhunde in den Orten immer mehr von motorisierten Schneemobilen verdrängt", sagt Chas St. George, Mitglied im Iditarod-Vorstand. Um die Tradition zu retten, riefen eine Handvoll Musher das Rennen ins Leben. Das erste Iditarod war reine Männersache, der Sieger brauchte 20 Tage. "Das hatte wahren Expeditionscharakter", sagt Schnülle. Mit leichterer Ausrüstung, besserem Futter und schnelleren Hunden habe sich der Wettbewerb nun komplett verändert. 1985 gewann die 29 Jahre alte Libby Riddles als erste Frau das Rennen – in 18 Tagen. Inzwischen liegt der Streckenrekord bei gut acht Tagen.

Doch das Motiv, die Strapazen auf sich zu nehmen, ist für Schnülle gleichgeblieben: "Es ist die Liebe zu den Hunden und zum Abenteuer." Er studierte Umwelttechnik in Deutschland, als er auf einer Reise in Kanada seine erste Hundeschlittentour mitmachte. Wenig später, mit 26 Jahren, wanderte er nach Yukon aus.

Dort gründete er seine eigene Hundeschlittenfirma, scheiterte allerdings "kläglich" bei seinem ersten langen Rennen, dem Yukon Quest, gibt Schnülle zu. Doch langsam lernte er dazu. Bei seinem ersten Iditarod im Jahr 2005 lag er abgeschlagen auf dem 38. Platz – doch da habe er "Blut geleckt", sagt Schnülle. Im Sommer bot der vollbärtige Wahl-Kanadier auf Gletschern in Alaska Touren für Touristen an, im Winter trainierte er für die Rennen. 2018 gab er die Schlittentouren auf, eine wirtschaftliche Entscheidung, die auch mit Klimawandel zu tun hatte. Eine kürzere Saison im Eis, ein höheres Risiko durch gefährliche Gletscherspalten.

Am Polarkreis wird es wärmer, und das macht auch den Iditarod-Teilnehmern zu schaffen. Wegen Schneemangel musste schon mal die Strecke weiter nach Norden verlegt werden. "In diesem Jahr haben wir genug Schnee, aber der Klimawandel ist eine große Sorge, es gibt mehr extreme Stürme", sagt Chas St. George. 2019 sei bei stürmischem Wetter das Eis am Meeresrand eingebrochen. Es müssten häufig mehr Eisbrücken gebaut werden, damit die Musher die Strecke abfahren können.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Sa, 05. März 2022: PDF-Version herunterladen

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