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"Über die Mauer hinweg"

  • Fr, 20. Dezember 2019
    Schülertexte

     

ZISCHUP-INTERVIEW mit Britt Schilling und Reinhild Dettmer-Finke über ihr gemeinsames Gefängnis-Projekt in Freiburg.

So soll es mal aussehen: ein digital gestalteter Entwurf des Projektes  | Foto: Britt Schilling
So soll es mal aussehen: ein digital gestalteter Entwurf des Projektes Foto: Britt Schilling

Vom 14. Mai 2020 bis Ende Oktober 2020 werden an der Außenmauer der Freiburger Justizvollzugsanstalt, kurz JVA, großformatige Fotoarbeiten zu sehen sein. Auf diesen Fotoplanen können sowohl Rückenansichten einiger Inhaftierter als auch Zitate der Insassen betrachtet werden. Die Schülerin Lena Schätzle führte mit den Verantwortlichen Britt Schilling (Fotografin) und Reinhild Dettmer-Finke (Filmemacherin und Stiftungsrätin) ein Interview über das Projekt Strafraum. Lena Schätzle geht in die Klasse 9b des St. Ursula-Gymnasiums in Freiburg.

Zischup: Wie sind Sie überhaupt auf das Projekt gekommen, da die JVA kein Thema ist, über das die Menschen gerne sprechen?

Schilling: Es war eigentlich die Neugier, sich zu fragen, was das für Menschen sind, die im Gefängnis sitzen und vor denen man Angst hat. Da mir der Knastpfarrer, wie ich ihn immer nenne, etwas von den Insassen erzählt hat, wollte ich sie selbst kennenlernen und trat einem offenen Gesprächskreis mit den Inhaftierten bei. Es ist eine ehrenamtliche Tätigkeit. Und ich persönlich fand es sehr interessant, zu erfahren, was das eigentlich für Männer sind, welche man aus dem Fernseher kennt. Was denken und was fühlen sie?



Zischup:
Aus welchem Material werden die Kunstwerke sein, die an der Gefängnismauer zu sehen sein werden?

Schilling: Es wird eine Plane sein, fast wie ein Baumwollstoff, welcher beschichtet ist. Nach dem Projekt werden aus dem Material Taschen hergestellt, welche die Insassen selbst in der eigenen Schneiderei der JVA nähen. Diese Taschen werden dann verkauft, und das Geld geht an einen Fond zugunsten der Opfer der Inhaftierten.

Zischup: Durften Sie beide sich einen Eindruck von der JVA verschaffen?

Schilling: Ja, ich bin einmal in der Woche dort gewesen.

Zischup: Und Sie?

Dettmer-Finke: Ich bin durch das Projekt ab und zu mitgegangen. Früher habe ich auch schon einen Film produziert mit Straftätern in Hamburg, wodurch ich mich mit dem Thema "Umgang mit Schuld" auch schon sehr intensiv beschäftigt habe.

Zischup: Sind die Personen auf den Bildern wirklich Inhaftierte?

Schilling: Ja natürlich. Es wird so sein, als wäre die Außenmauer der JVA transparent. Von außen werden der Bevölkerung nur die Rückenansichten der Insassen gezeigt, und von innen sehen sich die Inhaftierten von vorne.

Zischup:
Was hat es genau mit den Zitaten auf den Tagebüchern der Insassen auf sich?

Schilling: In einer Gesprächsrunde erzählten die Inhaftierten von ihren täglichen Erlebnissen im Gefängnis. Durch einen stark strukturierten Tagesablauf ist ihr Leben sehr eingeschränkt. Ich habe überlegt, wie man auf einer anderen Ebene über die Mauer hinweg Kontakt mit den Inhaftierten halten kann. Durch dieses Projekt stellten sich die Insassen die Fragen: "Wie fühle ich mich?" oder "Was denke ich?", welche sie sich in ihrer normalen Gesprächskultur nicht gestellt hätten. Daraus entwickelten sich Tagebücher der Inhaftierten.

Reinhild Dettmer-Finke (60) arbeitet als Autorin und Filmemacherin. Britt Schilling (50) ist Fotografin und lebt in Freiburg. Beide engagieren sich ehrenamtlich in der Freiburger Bürgerstiftung, die auch Trägerin des Strafraum-Projekts ist.

Ressort: Schülertexte

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