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"Wir haben eine Sieben-Tage-Woche"

  • Fr, 20. Dezember 2019
    Schülertexte

     

ZISCHUP-INTERVIEW mit Martin Klein, der als Berufsgeiger einen ganz anderen Arbeitstag hat als viele andere.

Luisa mit Martin Klein   | Foto: privat
Luisa mit Martin Klein Foto: privat

Martin Klein ist Geiger und der Stimmführer der Zweiten Geigen im Philharmonischen Orchester Freiburg. Luisa Link aus der Klasse 9b des St. Ursula-Gymnasiums Freiburg wollte von ihm wissen, wie es ist, ein Berufsmusiker zu sein.

Zischup: Wie sind Sie zum Philharmonischen Orchester gekommen?
Klein: Früher wussten meine Eltern und ich gar nicht, wie das alles funktioniert, als Berufsmusiker, wie viel verdient man da, wie sieht das aus? Nach dem Abitur hat mir mein Geigenlehrer gesagt, ich soll Musik studieren, und ich habe seinen Rat befolgt. Drei Jahre habe ich in Basel studiert und dann zwei Jahre Aufbaustudium hier in Freiburg. Bei der Abschlussprüfung hat sich dann ein Kollege aus dem Orchester die Absolventen angehört und mich am Ende dann angesprochen und gefragt, ob ich nicht Lust hätte, beim Orchester Aushilfe zu machen. Die Aushilfsstelle habe ich bekommen und ein Vierteljahr später dann die Erste Geige Tutti. Zwei, drei Jahre später habe ich mich dann für meine jetzige Stelle beworben. Ich bin also immer in diesem Orchester gewesen, seit ungefähr 37 Jahren.

Zischup: Wie sieht Ihr Alltag als Berufsmusiker aus?
Klein: Mein Alltag besteht eigentlich aus zwei Dingen, zum einen die häusliche Vorbereitung, das heißt das Üben der Stücke und bei unbekannten Stücken schaue ich mir auch mal ein Youtube-Video an. Zum anderen der Dienst hier im Theater. Da kommen wir zusammen, erst in den "Orchester-allein-Proben", danach in den Sitzproben mit dem Chor und den Sängern, die aber nicht agieren. Und später die "Bühnen-Orchester-Proben" mit dem Chor, den Sängern auf der Bühne und dann zum Schluss die Endproben-Phase mit der Hauptprobe, Generalprobe und der Premiere, die meistens am Samstag ist. Im Gegensatz zum Sinfonieorchester spielen wir Opern und Konzerte. Für Konzerte fangen wir meistens am Dienstag mit Proben an, und am nächsten Dienstag ist dann das Konzert.

Zischup: Wie viele Konzerte haben Sie pro Jahr, und wie sind die Ferien geregelt?
Klein:
Wir spielen acht Sinfoniekonzerte und ungefähr sechs Sonderkonzerte, wie zum Beispiel das Neujahrskonzert und ein Konzert für ein eher junges Publikum mit Filmmusik. Da wir eine Sieben-Tage-Woche haben, haben wir einen Urlaubsanspruch von 45 Kalendertagen in der Theatersommerpause.

Zischup: Sind in jedem Konzert alle Musiker dabei oder gibt es eine wechselnde Besetzung?
Klein: Es spielen nicht immer alle bei allen Stücken mit, sondern manchmal auch nur zwei aus den Zweiten Geigen, die sich auch im Krankheitsfall abwechseln. Die anderen Musiker machen dann die anderen Sachen oder haben frei. Meine Aufgabe ist es dann, auch die Dienste gerecht aufzuteilen, dass die Anzahl bei jedem ungefähr gleich ist.

Zischup: Falls Sie Familie haben, wie können Sie Ihren Beruf damit verbinden?
Klein:
Wenn man jung ist, ist das cool, dass die Vorstellungen abends sind, da geht man danach noch was trinken. Dann wird man älter und gesetzter, dann kommen die Kinder und man lernt andere Leute kennen, die auch Kinder haben und man macht am Wochenende was zusammen. Da heißt es dann plötzlich "Wir gehen am Samstag grillen". Ja ich kann aber nicht, ich habe am Abend Vorstellung. Man hat am Wochenende oft keine Zeit für andere Dinge. Das ist zum Teil dann schon ätzend. Für solche Sachen gibt es den Ausgleich bei den Ferien. Bei den meisten Menschen ist der Arbeitstag um 17 Uhr beendet, und die gehen dann ein Bier trinken oder Squash spielen, und bei uns geht es an vielen Tagen um halb acht los. Die anderen gehen, und man kann nicht mitgehen. Wir haben eine absolute Unregelmäßigkeit, es ist keine Woche wie die andere. Am Vormittag habe ich mich dann um die Kinder gekümmert und am Abend meine Frau.

Zischup: Wie kam die Kooperation zwischen dem Philharmonischen Orchester und den Ursula Symphonics zustande?
Klein: Nachdem die Ursula Symphonics den Wettbewerb "Jeunesse Musical" gewonnen hatten, schrieb ich der damaligen Leiterin und gratulierte ihr zu dem Erfolg. Sie fragte mich dann, ob man nicht mal etwas zusammen machen könnte. Nach der Übergabe der Leitung des Schulorchesters habe ich regelmäßig mit den Leiterinnen korrespondiert und bin irgendwann dann der Ansprechpartner geworden. Ich habe auch öfter die Proben besucht. Im März 2019 hatten wir dann unser gemeinsames Konzert im Theater.

Zischup: Welchen Tipp können sie Jugendlichen geben, die auch gerne mit einem Instrument anfangen würden, sich aber nicht sicher sind?
Klein: Oft ist es so, dass nicht die Schüler ein Instrument spielen möchten, sondern die Eltern es wollen. Ich würde mich als Erstes fragen, warum möchte ich ein Instrument anfangen, kann ich mit klassischer Musik etwas anfangen, höre ich mir zuhause auch mal eine Beethoven-Sinfonie an und gefällt mir das? Wenn du nicht nur in den Geigenunterricht kommst, um ein umgeschriebenes Pop-Stück zu bekommen, sondern es interessiert dich auch das, was dahinter ist und was man eigentlich mit der klassischen Musik und diesem Instrument machen kann, dann würde ich sagen, mach es. Wenn dir das egal ist, dann mach es halt so weit wie du willst, vielleicht kommt das irgendwann mal oder wenn nicht, dann lass es.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 20. Dezember 2019: PDF-Version herunterladen

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